Sammy BALOJI   |   Beaufort 21   |   Zeebrugge

and to those North Sea waves whispering sunken stories

Albert Kudjabo

war einer der 32 Kongolesen, die während des Ersten Weltkriegs in Europa kämpften. Er wurde von der deutschen Armee gefangen genommen, und als Afrikaner wurde er als wissenschaftliches Phänomen untersucht. Im März 1917 machte die Preußische Phonographische Kommission mehrere Tonaufnahmen, auf denen man Albert Kudjabo singen und trommeln hören kann. Sie sind die einzigen bekannten Tonaufnahmen eines kongolesischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg (©Lautarchiv, Humboldt-Universität zu Berlin).

Zum Abschluss von Sammy Balojis Installation erinnern uns Kudjabos Stimme und Gesang an eine weitere versunkene Geschichte.

Das beschädigte Palace Hotel
nach dem Ersten Weltkrieg
© IFFM Ieper

Zeebrügge und der Erste Weltkrieg

Der Hafen von Zeebrügge spielte während des Ersten Weltkriegs eine wichtige und heute weitgehend vergessene Rolle. Hier liefen die deutschen U-Boote aus, die den Nachschub aus dem Vereinigten Königreich an die Front durcheinander brachten. Am 23. April 1918 (dem St.-Georgs-Tag) versuchten britische Marinesoldaten in einem heroischen Angriff, den Hafenkanal zu blockieren. Daran erinnert ein Denkmal an der Uferpromenade unweit von Sammy Balojis Installation. Das stattliche Palace Hotel, das diesen Ort noch immer prägt, beherbergte deutsches Marinepersonal.
Wie in Ypern entwickelte sich auch in Zeebrugge nach dem Ersten Weltkrieg ein florierender Kriegstourismus: Das Palace Hotel beherbergte nun britische Touristen, nebenan wurde ein Kriegsmuseum eingerichtet.

Plakat
für das Zeebrugge Museum
© Philippe Oosterlinck & IFFM Ieper

Der Pferdemarkt ('Paardemarkt')

Aber im Meer vor dem Hafen von Zeebrügge und vor der Küste von Heist gibt es eine viel unheimlichere Erinnerung an den Großen Krieg. Nur wenige Kilometer von der Ostmole des Hafens entfernt befindet sich die Sandbank, die als Paardenmarkt bekannt ist. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden an dieser Stelle nicht weniger als 35.000 Tonnen deutscher Gasgranaten verkippt. Dieses unsichtbare Munitionsdepot stellt eine potenzielle toxische Bedrohung für Unterwasser-Ökosysteme dar.

Albert Kudjabo
im Kriegsgefangenenlager Soltau
© IFFM Ieper

Kongo und der Erste Weltkrieg

Die wenig bekannte Verklappungsaktion in der Nähe des Paardenmarktes hat eine Analogie mit der Rolle des Kongos während des Ersten Weltkrieges. Während ein paar Dutzend kongolesische Soldaten an der europäischen Front eingesetzt wurden, wurde die Force Publique im Kongo massenhaft gegen vor allem Deutsch-Ostafrika eingesetzt. In der Erinnerung an den Großen Krieg gerieten diese Kolonialtruppen anschließend in Vergessenheit. Wie bei der Munitionsdeponie wurde ihre Anwesenheit durch offizielle Denkmäler oder Zeremonien einfach völlig ausgeblendet.

BEAUFORT 21

Sammy Baloji

All diese Schattengeschichten kristallisieren sich auf subtile Weise in Balojis Installation heraus. Für die Struktur ließ sich Baloji vom 'Wardian case' inspirieren, einer gläsernen Transportkiste, die zum Schutz exotischer Pflanzen während der kolonialen Seetransporte nach Europa verwendet wurde. Die Form der Skulptur erinnert an kongolesische Mineralien, während die Pflanzen, die sie beherbergt, aus dem gleichen Land vertrieben wurden. Die temporäre Schutzbox hat Parallelen zum temporären Schutz bei der Verklappung von giftiger Munition ins Meer. Die Arbeit gibt vergessenen Spuren der Vergangenheit eine Stimme zurück, zeigt aber auch deren Auswirkungen in einer globalen Welt und die aktiven Versuche, Dinge vergessen zu machen.

in flanders fields museum

Sammy Balojis Installation in Zeebrügge wird ergänzt durch eine Installation im In Flanders Fields Museum in Ypern.

ARTIST IN RESIDENCE 2021